Der Kläger machte Ansprüche aus zwei Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen aus den Jahren 1986 und 1997 geltend. Die Beklagte lehnte die Fortzahlung trotz im Jahr 2013 anerkannter Leistungspflicht seit August 2019 als derzeit nicht begründet ab, weil der Kläger die von ihr eingeforderte ärztliche Untersuchung verweigert hatte.
In den Bedingungswerken hieß es insoweit: "Zur Nachprüfung können wir auf unsere Kosten jederzeit sachdienliche Auskünfte und einmal jährlich eine Untersuchung / umfassende Untersuchungen des Versicherten durch einen von uns zu beauftragenden Arzt verlangen."
Beide Bedingungswerke enthielten auch eine Regelung über die Rechtsfolgen der Verletzung dieser Obliegenheit nach VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung. Die Beklagte hatte die Bedingungswerke nicht an das neue VVG angepasst.
Der Kläger meinte, deshalb nicht zur Mitwirkung gehalten zu sein, und forderte Zahlung rückständiger sowie zukünftiger Renten sowie eine Beitragsbefreiung. Er war der Ansicht, die fehlende Bedingungsanpassung an das neue VVG führe nicht nur zur Unwirksamkeit der vertraglichen Rechtsfolgen der Obliegenheitsverletzung, sondern auch zur Unwirksamkeit der Obliegenheit selbst. Er habe somit nicht mitwirken müssen. Auf § 242 BGB (Treu und Glauben) könne sich die Beklagte nicht zurückziehen, weil sie sich durch die fehlende Bedingungsanpassung selbst ihrer Rechte begeben habe.
Nach Meinung des OLG durfte die Beklagte die Fortzahlung (jedenfalls) bis zur Nachholung der eingeforderten Mitwirkung durch den Kläger bis auf weiteres verweigern (§ 242 BGB).
Dabei bedurfte es hier keiner Entscheidung, ob - wofür laut OLG alles sprach - allgemein trotz fehlender Bedingungsanpassung und der damit einhergehenden Unwirksamkeit der vereinbarten Rechtsfolgen die vereinbarten Obliegenheiten selbst wirksam blieben und darauf stets im Rahmen der Anwendung von §§ 81, 82 VVG und § 242 BGB abgestellt werden konnte. Denn jedenfalls im vorliegenden Fall blieb die vereinbarte Mitwirkungs- und Untersuchungsobliegenheit trotz fehlender Bedingungsanpassung bestehen.
Das ergab sich nach Ansicht des OLG aus Sinn und Zweck von Erstprüfung und Anerkenntnis einerseits und dem Recht zur Nachprüfung der Beklagten andererseits.
Im Rahmen der Erstprüfung bestand nach den jeweiligen Bedingungen eine Mitwirkungs- und Untersuchungsobliegenheit des Versicherungsnehmers mit folgender Konsequenz: Wirkt er insoweit trotz Aufforderung des Versicherers nicht mit, wird sein Stammrecht nach § 14 Absatz 1 VVG nicht fällig. Auf ein Verschulden des Versicherungsnehmers kommt es dabei nicht an, weil es nicht wie ihm Rahmen des § 28 Absatz 2 VVG um dauerhafte Leistungsfreiheit/-kürzung, sondern nur um vorübergehende Leistungsfreiheit geht. Auch eine Belehrung - entsprechend § 28 Absatz 4 VVG - ist nicht erforderlich, weil § 28 VVG nicht zur Anwendung kommt und § 14 VVG keine Belehrungspflicht vorsieht.
Gleiches musste im Ergebnis nach den jeweiligen Bedingungen auch für den Fall der Nachprüfung und damit für die Ansprüche auf Einzelleistung aus dem Stammrecht gelten. Denn der Gesetzgeber zwingt den Versicherer nach § 173 VVG grundsätzlich dazu, seine Leistungspflicht bei Fälligkeit des Stammrechts zeitlich unbegrenzt anzuerkennen. Dafür räumt er ihm aber in § 174 VVG unter besonderen Voraussetzungen das Recht zur Nachprüfung ein, das vorliegend vertraglich wirksam vorbehalten war. Dieses Zusammenspiel setzt voraus, dass der im Nachprüfungsverfahren beweisbelastete Versicherer taugliche Erkenntnisquellen nutzen kann.
Es ist allgemein anerkannt, dass eine (ggf. dauernde) Verwirkung von Ansprüchen gemäß § 242 BGB in Betracht kommen kann. Die Verwirkung des Anspruchs auf die Versicherungsleistung ist dabei aber auf besondere Ausnahmefälle beschränkt, in denen es für den Versicherer unzumutbar wäre, sich an der Erfüllung der von ihm übernommenen Vertragspflichten festhalten zu lassen.
Nach Überzeugung des OLG bestanden keinerlei Zweifel daran, dass die Beklagte sich bei Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalles jedenfalls auf § 242 BGB berufen und die Leistung bis auf weiteres verweigern konnte.
Der Kläger handelte mindestens bedingt vorsätzlich, da er trotz Aufforderung der Beklagten und damit in Kenntnis der vertraglichen Vereinbarung die Mitwirkung gezielt verweigerte.
Schließlich hatte die Beklagte mit der fehlenden Bedingungsanpassung ersichtlich nicht auf ihr gesetzlich vorgesehenes und vertraglich vereinbartes Nachprüfungsrecht und die gesetzlich vorgesehene und vertraglich vereinbarte Mitwirkungs- und Untersuchungsobliegenheit verzichtet. Sie hatte allein von einer Bedingungsanpassung im Hinblick auf die Rechtsfolgen des § 28 Abs. 2 VVG abgesehen.
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