Die Klägerin nahm den beklagten Kfz-Haftpflichtversicherer auf Ersatz eines weiteren Nutzungsausfallschadens für 27 Tage nach einem Verkehrsunfall in Anspruch.
Das vollkaskoversicherte Fahrzeug der Klägerin war ohne ihr Verschulden beschädigt worden. Die Klägerin gab anschließend ein Schadengutachten in Auftrag und meldete ihre Ansprüche bei dem Beklagten an. Dabei verwies sie darauf, dass sie die Reparaturkosten wegen ihrer finanziellen Verhältnisse nicht vorfinanzieren könne.
Nach Ablauf einer Frist, die sie dem Beklagten gesetzt hatte, forderte die Klägerin ihren eigenen Kaskoversicherer zur Regulierung auf und erteilte einen Reparaturauftrag, der auch erledigt wurde, sodass das Fahrzeug danach wieder fahrbereit war.
Der Beklagte erstattete der Klägerin für 15 Tage einen Nutzungsausfallschaden, bestehend aus zehn Tagen für die Reparaturdauer und zusätzlichen fünf Tagen für die Erstellung und Prüfung des Gutachtens. Die Klägerin verlangte aber insgesamt Nutzungsausfall für 27 Tage.
Die Beklagte verweigerte dies mit dem Hinweis, die Klägerin habe die Kaskoversicherung erst nach Ablauf der Regulierungsfrist in Anspruch genommen. Dadurch habe sie die Reparatur verzögert und gegen ihre Verpflichtung nach § 254 Abs. 2 BGB verstoßen, wonach der zu ersetzende Schaden möglichst gering zu halten sei. Es stehe dem Geschädigten eines Verkehrsunfalles nicht frei, von einer Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung abzusehen.
Vor dem BGH bekam die Klägerin Recht. Der BGH begründet dies wie folgt:
Zwar ist der Geschädigte eines Verkehrsunfallgeschehens im Rahmen der ihm gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz BGB obliegenden Schadenminderungspflicht grundsätzlich gehalten, den zu ersetzenden Schaden möglichst gering zu halten.
Grundsätzlich ist es indessen Sache des Schädigers, die Schadenbeseitigung zu finanzieren. Der Geschädigte hat Anspruch auf sofortigen Ersatz und ist unter Umständen berechtigt, grundsätzlich aber nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder gar einen Kredit zur Schadenbehebung aufzunehmen. Dieser Rechtsgrundsatz würde unterlaufen, sähe man den Geschädigten schadensrechtlich grundsätzlich als verpflichtet an, die Schadenbeseitigung zeitnah nach dem Unfall vorzunehmen und damit ganz oder teilweise aus eigenen oder fremden Mitteln vorzufinanzieren.
Sinn und Zweck der Kaskoversicherung ist nicht die Entlastung des Schädigers. Der Versicherungsnehmer einer Kaskoversicherung erkauft sich den Versicherungsschutz vielmehr für die Fälle, in denen ihm ein nicht durch andere zu ersetzender Schaden verbleibt.
Die Inanspruchnahme des eigenen Kaskoversicherers ist dem Geschädigten regelmäßig auch wegen der damit verbundenen Rückstufung nicht zuzumuten.
Die Schadenminderungspflicht darf nicht dazu führen, den Geschädigten in einer Situation, in der er den exakten Umfang der Einstandspflicht und das Ausmaß der einzelnen Schadenpositionen regelmäßig noch nicht absehen und deshalb Rückstufungsschaden und Nutzungsausfallschaden nicht ins Verhältnis setzen kann, in die Zwickmühle zu bringen, sich dem Risiko einer (unter Umständen) obliegenheitswidrigen (Nicht-)Inanspruchnahme seines Kaskoversicherers auszusetzen.
Als treuwidrig könnte sich das Absehen von einer zeitnahen Inanspruchnahme des eigenen Kaskoversicherers ausnahmsweise dann darstellen, wenn der Geschädigte von vornherein damit zu rechnen hat, dass er einen erheblichen Teil seines Schadens selbst tragen muss und dass die Aufwendungen hierfür den Schaden, der ihm durch den Verlust des Schadenfreiheitsrabattes entstehen könnte, absehbar deutlich übersteigen. Denn in dieser Situation würde ein ordentlicher und verständiger, insbesondere wirtschaftlich denkender Mensch an der Stelle des Geschädigten seinen Kaskoversicherer in Anspruch nehmen, um den eigenen Schaden möglichst gering zu halten.
Nach diesen Grundsätzen war die Klägerin nach den Umständen des Streitfalles nicht gehalten, ihren Kaskoversicherer zur zeitnahen Behebung des Unfallschadens in Anspruch zu nehmen.
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