Dann dürfen sowohl der Träger des Kanalisationsnetzes als auch von ihm mit Bauarbeiten an den Leitungen beauftragte Dritte auf die Einrichtung einer funktionsfähigen Rückstausicherung des Anliegers vertrauen. Das hat der BGH mit Urteil vom 19.11.2020 - III ZR 134/19 entschieden.
Die Klägerin war Eigentümerin eines Flachdachbungalows, dessen Entwässerung über ein Mischsystem erfolgte. Dabei wurde das von außen - etwa vom Dach - ablaufende Oberflächenwasser durch innen liegende Regenfallrohre geführt und gemeinsam mit den häuslichen Abwässern aus den - auch im Kellergeschoss befindlichen - Sanitäranlagen über die unterhalb der Kellersohle liegende Grundleitung in die Kanalisation eingeleitet.
Der Boden des Kellergeschosses befand sich zwei Meter unterhalb der Rückstauebene. Über eine Rückstausicherung verfügte das Objekt nicht, obgleich sowohl die bei Bau des Bungalows gültige als auch derzeit geltende Satzung der Gemeinde dies vorsahen.
Der beklagte Wasserwirtschaftsverband beauftragte das ebenfalls beklagte Tiefbauunternehmen, anlässlich der Renaturierung eines Grabens mit der Errichtung eines unterirdischen Kanals für die Schmutzwasserableitung. Im Zuge der Bauarbeiten verjüngten Mitarbeiter des Wasserwirtschaftsverbandes provisorisch im Bereich eines vor dem Anwesen der Klägerin belegenen Schachtes den unterirdischen Mischwasserkanal (für Schmutz- und Regenwasser) von 50 cm auf 20 cm. In der Folgezeit kam es zu starken Regenfällen.
Die Klägerin behauptete, als Folge der Regenfälle sei das Kellergeschoss ihres Hauses überflutet worden. Der Wassereintritt sei auf einen durch die pflichtwidrige Verjüngung des Mischwasserkanals entstandenen Rückstau in der Abwasserleitung zurückzuführen. Zuvor sei das Kanalsystem ausreichend dimensioniert gewesen. Ein Haftungsausschluss wegen der fehlenden Rückstausicherung, deren Installation bei der Errichtung des Hauses nicht möglich gewesen sei, komme den Beklagten nicht zugute. Ein Rückstausystem hätte den Wasserschaden zudem nicht verhindert.
Der nachträgliche Einbau eines weitergehenden Sicherungssystems sei der Klägerin zum einen nicht möglich und zum anderen wegen der damit verbundenen erheblichen Kosten auch nicht zumutbar gewesen. Jedenfalls hätten die Beklagten sie auf die Gefahr möglicher Überflutungen wegen der Arbeiten an dem Kanalsystem hinweisen müssen.
Der BGH lehnte einen Schadenersatzanspruch der Klägerin ab. Ein Anspruch aus der verschuldensunabhängigen Wirkungshaftung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftpflG war zu verneinen, weil ein solcher sich nicht auf Schäden erstreckt, die an einem an die Kanalisation angeschlossenen Haus infolge eines Rückstaus entstehen.
Deliktische Ansprüche z.B. aus § 823 ff. BGB scheiterten an der mangelnden Zurechenbarkeit des geltend gemachten Wasserschadens. Der Schaden lag außerhalb des Schutzbereichs der im Zusammenhang mit der Durchführung der Bauarbeiten möglicherweise verletzten Pflichten. Die Klägerin durfte nicht darauf vertrauen, vor Rückstauschäden bewahrt zu bleiben, die durch die üblichen Sicherungsvorrichtungen hätten verhindert werden können.
Für eine taugliche Rückstausicherung zu sorgen, liegt laut BGH im eigenen Interesse des Anschlussnehmers und hängt nicht von der konkreten Ursache des Rückstaus ab. Selbst bei einem ordnungsgemäß geplanten und ausgeführten Kanalsystem könne es immer wieder - etwa aufgrund selten auftretender ungewöhnlich heftiger Regenfälle - zu einem Rückstau kommen. Ein Anschlussnehmer dürfe nicht darauf vertrauen, vor Rückstauschäden bewahrt zu werden, die bei normalen, durch die üblichen Sicherungsvorkehrungen auszugleichenden Druckverhältnissen entstehen würden.
Es stelle dabei keinen entscheidenden Unterschied dar, ob der Rückstau in der Leitung durch eine unzureichend geplante und insoweit (dauerhaft) unterdimensionierte Kanalisation oder durch zeitlich begrenzte Arbeiten am Kanalsystem verursacht worden sei.
Jedenfalls dann, wenn - wie hier - die einschlägige Satzung eine Verpflichtung zum Einbau einer Rückstausicherung vorsehe, dürfe der Träger des Kanalnetzes - ebenso wie ein von ihm beauftragter Tiefbauunternehmer - demgegenüber darauf vertrauen, dass sich die Anlieger vor einem in verschiedenen Konstellationen möglichen Rückstau im Leitungsnetz schützen.
Die Beklagten durften sich daher ungeachtet einer eigenen Pflichtverletzung darauf verlassen, dass die notwendigen Rückstausicherungen eingebaut waren und funktionierten.
Dass eine Rückstausicherung am Haus der Klägerin technisch möglich gewesen war, konnte sachverständig festgestellt werden. Ebenso stand fest, dass der Schaden vermieden worden wäre, wenn eine funktionsfähige Rückstausicherung vorhanden gewesen wäre.
Der Einbau einer funktionsfähigen Rückstausicherung war der Klägerin laut BGH auch zuzumuten gewesen.
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